Vasektomie und Sexualtherapie?

Die Sterilisation von Männern gilt als einfache und sichere Verhütungsmethode. Trotzdem ist dieser Weg der Empfängnisverhütung nicht populär. Bei der Vasektomie werden in einem ambulanten Eingriff die Samenleiter unterbrochen. Dadurch können keine Spermien in das Ejakulat gelangen. Der Mann ist unfruchtbar. Laut ärztlicher Meinung ist dieser Eingriff - der nur ein paar Minuten dauert - einfach, kostengünstig und komplikationsarm. Der entsprechende Eingriff bei der Frau ist wesentlich aufwändiger, invasiver und mit mehr Komplikationen verbunden.

Die Potenz des Mannes verändert sich durch die Vasektomie nicht. Der Homonhaushalt wird nicht beeinflusst. Die Funktion der Hoden bleibt unverändert. Sowohl Spermien, als auch die entsprechenden Hormone, die für die Libido verantwortlich sind, werden weiter gebildet. Die Menge des Ejakulats bleibt quasi unverändert, da die Spermien nur etwa zwei Prozent des Volumens des Ejakulats ausmachen. Man sieht also keinen Unterschied. Lust, Erektion und Erguss bleiben erhalten.

Eigentlich ist die Vasektomie nur ein kleiner "Schnitt". Trotzdem entscheiden sich recht wenige Männer für den Eingriff, selbst wenn die Familienplanung definitiv abgeschlossen ist. Die abgeschlossene Familienplanung ist natürlich die Voraussetzung für diese Art der Verhütung. Die Vasektomie ist eine endgültige Entscheidung. Es gibt zwar Operationen zur Wiederherstellung der Fruchtbarkeit, aber man sollte sich nicht darauf verlassen.

Die männliche Identität ist verknüpft mit der Fähigkeit, Kinder zu zeugen. Das Gefühl der Zugehörigkeit zu einem Geschlecht ist eine Grundlage für Selbstbewusstsein und Selbstwert. Ein operativer Eingriff in diesem "ur-männlichen" Bereich des Körpers kann die sexuelle Selbstsicherheit bedrohen. Das ist die Sorge, die manchen Mann von der Vasektomie abhält. Man hat Bedenken, dass sich die eigene Potenz verändert. Da helfen auch Fakten wenig. Es geht nicht um eine rationale Abwägung, sondern um einen emotional stimmigen Entschluss. Kaum ein Mann wird der Vasektomie zustimmen, wenn er Angst hat, dass sich der Eingriff auf seine Fähigkeit, seine Frau sexuell zu befriedigen, auswirkt. Die Sorge, die Erektionsfähigkeit zu verlieren ist nicht rational begründet, aber emotional bedeutend. Der aufgerichtete Penis lässt den Mann spüren, dass er ein Mann ist. Das ist (fast) jedem Mann wichtig.

Deshalb kann es eine gute Idee sein, sich vor einem Eingriff sexualtherapeutisch beraten zu lassen. Der Sexualtherapeut kann die Auseinandersetzung mit der eigenen Männlichkeit fachkundig unterstützen. Aus einem fundierten Gefühl für das eigene Mann-Sein wächst das Vertrauen in die selbstverantwortliche Entscheidung für diesen partnerschaftlichen Weg der Verhütung.

Auf der Paarebene hat die Frage der Verantwortung für die Verhütung eine große Bedeutung. Nicht wenige Frauen fühlen sich mit dieser Verantwortung vom Mann alleine gelassen. Es gibt laut Wikipedia achtzehn verschieden Methoden der Verhütung - für Frauen. Wesentlich weniger Methoden gibt es für den Mann. Zeigt sich hier ein weiterer Aspekt von fehlender Gleichberechtigung oder eine Schieflage in der partnerschaftlichen Verhütungs-Verantwortung? Die Gespräche darüber sind nicht selten schwierig - wenn denn überhaupt darüber gesprochen werden kann. Miteinander reden zu können ist ein häufiges Anliegen von Paaren, die in meine Praxis zur Paartherapie kommen.

Nicht wenige Männer berichten, dass sich die Sexualität nach diesem endgültigen und bedeutenden Einschnitt positiv entwickelt hat. Sich nicht mehr um Verhütung kümmern zu müssen, kann befreiend sein. Daraus entsteht Raum für mehr Lust und Liebe. Die Basis dafür ist eine freie, eigenverantwortliche und bewusste Entscheidung. Ein kleiner Schnitt für den Urologen, ein großer Schritt für den Mann.